Die Tage werden wieder kürzer, die Temperaturen sinken und die Eine oder der Andere hat bestimmt bereits die Wintermützen und dicken Schals ganz hinten aus dem Schrank hervorgeholt. Das bedeutet auch: Es ist Zeit, eine Tasse Tee in die eine und ein gutes Buch in die andere Hand zu nehmen und dem Regen und der Kälte draußen zu entfliehen. Passend zum Herbst und zur Aktionswoche der Seelischen Gesundheit, die vom 10. bis zum 20. Oktober stattgefunden hat, bringen wir euch einige Lesetipps mit!
In den letzten Jahren lässt sich beobachten, dass immer mehr AutorInnen und Personen des öffentlichen Lebens ihre Psychiatrieerfahrung teilen – ein wichtiger Schritt, der zur Entstigmatisierung und Sichtbarmachung psychischer Erkrankungen beiträgt. Der BBuD e.V. setzt sich dafür ein, dass Psychiatrieerfahrungen gehört und geteilt werden. In diesem Jahr hat der BBuD e.V. eine bundesweite Lesereise mit Dr. Thomas Rheinbacher veranstaltet, der aus seiner im letzten Jahr erschienen Autobiografie Nach Grau kommt himmelblau gelesen hat. In diesem Erfahrungsbericht schildert der Manager mit Stationen bei NASA, McKinsey, Amazon und Google, wie ihn dieses scheinbare „Bilderbuchleben“ in eine schwere Depression gestürzt hat. Die vorerst letzte Station der Lesereise fand am 29. Oktober 2025 in Nürnberg statt.
Für die von euch, die Nach Grau kommt himmelblau bereits gelesen haben und nun nach mehr Lesestoff suchen oder einfach mal wieder ein gutes Buch lesen wollen, haben wir ein paar Literaturtipps zum Thema psychische Erkrankungen zusammengetragen.
Lea de Gregorio: Unter Verrückten sagt man du
Lea de Gregorio bemerkte nach ihrem Abitur eine Verschiebung – ein zuerst schleichender Prozess, der schließlich darin mündete, dass sie (hierbei handelt es sich um eine Selbstbezeichnung) »verrückt« wurde. Wie sie zu der Aneignung dieser stigmatisierten Zuschreibung kommt, welche Erfahrungen sie während eines Psychiatrieaufenthalts gemacht hat und wie sie während der Zeit der Krankheit und danach mit der Diagnose Schizophrenie umgegangen ist, erzählt sie in Unter Verrückten sagt man du.
Rowohlt | 2018 | € 14
Oliver Polak: Der jüdische Patient
Man kennt Oliver Polak als Comedian: Sein Umgang mit dem Holocaust und seiner eigenen jüdischen Herkunft, die immer wieder Teil seiner Programme sind, machen spürbar, dass Komik und Schrecken koexistieren können. In Der jüdische Patient thematisiert Polak, was es bedeutet, als beruflich komische Person tieftraurig zu sein, er berichtet vom transgenerationalen Trauma seiner Familie – sein Vater überlebte das Konzentrationslager – vor allem aber thematisiert er seine Zeit in der Psychiatrie und wie sie ihm dabei geholfen hat, wieder gesünder zu werden.
Kiepenheuer & Witsch | 2014 | € 14
Thomas Melle: Die Welt im Rücken
Thomas Melle gehört zu den erfolgreichsten deutschsprachigen AutorInnen. Dieses Jahr stand er mit seinem Roman Haus zur Sonne auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. 2018 veröffentlichte Melle eine autobiografische Erzählung, in der er von seinem Leben mit einer bipolaren Störung erzählt. Als Einstieg wählt Melle eine auf den ersten Blick vergleichsweise harmlose Begebenheit, die erst bei näherem Hinschauen ihre Tragweite entfaltet: Während einer manischen Phase verkaufte er, getrieben von dem Gedanken, sich von allem Materiellen befreien zu müssen, seine über Jahre hinweg akribisch und liebevoll aufgebaute private Büchersammlung. Erst später, nach Abklingen der manischen Episode, wurde ihm das Ausmaß seines Verlustes bewusst – noch Jahre später betrauerte er seine verlorene Bibliothek. Melle durchlief mehrere Psychiatrieaufenthalte und erlebte wiederkehrende Krankheitsphasen – ein ehrlicher, tief berührender und sprachlich großartiger Text, den wir euch unbedingt ans Herz legen möchten!
Rowohlt | 2018 | € 14


 
															